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„Die Lust am Verbot“

15. November 2012

Die Emotionen gingen hoch, als der Philosoph und Kulturtheoretiker Robert Pfaller im gestrigen Business Breakfast von Ecker & Partner über die „Lust am Verbot“ philosophierte und die Frage, wofür es sich zu leben lohnt, in den Ausgangs- und Mittelpunkt der Diskussion stellte. So fallen den meisten nach ein paar Minuten Bedenkzeit einige Gründe ein, für die es sich zu leben lohnt: sei es ein gutes Glas Wein, ein Herbstspaziergang, gute Freunde oder eine erfüllende Partnerschaft. Komplizierter wird es hingegen, wenn man Antworten auf die Frage sucht, warum unsere Gesellschaft das genussvolle Erleben dieser Momente verlernt hat und zusehends ein „feindseliges Verhältnis zum Glück der Anderen“ entwickelt.

Mut zum Genuss

Einen Grund sieht Robert Pfaller, Ordinarius für Philosophie an der Universität für Angewandte Kunst in Wien, dabei im veränderten Blickwinkel, unter dem Glück und Genuss in verschiedenen Epochen betrachtet werden. Galten in vergangenen Zeiten vorwiegend gesellschaftlich akzeptierte und klar ausgesprochene Genussgebote, so steht die heutige Gesellschaft einer wachsenden Anzahl von Genussverboten gegenüber – die sie sich auch noch selbst auferlegt. „Wir verweigern uns selbst den Genuss“, so Robert Pfaller mit dem Hinweis, dass den meisten Genussmitteln auch unangenehme Eigenschaften anhängen, die sich mit unserem vernunftgetriebenen Alltag nicht vereinbaren lassen. Rauchen ist ungesund, ein langer Spaziergang stiehlt produktive Zeit, Fantasie ist unvernünftig. Um genießen zu können, bedarf es demnach den Mut, diese vernunftbedingten Regeln ab und an zu überschreiten. Ebenso erforderlich sind Anlässe und Rahmenbedingungen seitens der Gesellschaft, die diese Grenzüberschreitungen möglich machen und jenen Genuss ermöglichen, den wir uns alleine nicht erlauben würden. Doch genau diese Anlässe werden in unserer heutigen Kultur immer seltener geboten. Überhand nehmen hingegen Prioritäten wie Sicherheit, Gesundheit oder Kosteneffizienz. Diese Dringlichkeiten ersetzen zunehmend jene Situationen, die uns früher mit dem Genuss und seiner Zwiespältigkeit versöhnt haben. Das Ergebnis: „Uns fehlt zunehmend der Mut zum Genuss und wir neiden ihn jenen, die ihn rund um uns empfinden“, so Pfaller.

Das Glück der Anderen wird zur Belästigung

Glückliche Mitmenschen werden mittlerweile als „Diebe des eigenen Genusses“ sowie als „Empfinder eines Glücks, das uns selbst nicht mehr zugänglich ist“ identifiziert – der „Ruf nach der Polizei“ wird laut. Wie altkluge Kinder appellieren wir an die Vernunft und missgönnen uns selbst, wie auch unseren Mitmenschen, den möglicherweise unvernünftigen Genuss. „Wir lassen uns wie Kinder behandeln und rufen nach Verboten, um weiter so behandelt zu werden“, stellt Pfaller fest. Das Bezeichnende dieser kindlichen Vernunft altkluger Kinder zeigt sich daran, dass sie immer ganz und gar vernünftig sein wollen, doch „Vernunft ist nur dann vernünftig, wenn sie auch unvernünftige Momente zulässt“, ergänzt Pfaller.

Sehnsucht nach Sicherheit

Während kleine Bereiche unseres Lebens mehr und mehr durch Verbote geordnet werden, bleiben wirklich relevante Gebiete wie der Finanzmarkt weitgehend von Regulierungen verschont. Pfaller sieht hier eine „Pseudopolitik, die vor den wahren Problemen hin zu Pseudoschauplätzen flüchtet, auf denen sie sich hyperaktiv betätigen kann.“ Dem Einwurf aus dem Publikum, der Wunsch nach Regulierungen und Verboten entspringe zuallererst aus der Sehnsucht nach Sicherheit, kann Pfaller zustimmen, jedoch mit der Anmerkung, dass diese Sicherheit an falscher Stelle gesucht wird.
Sowohl die Suche nach Sicherheit wie auch das selbst auferlegte Gebot der Mäßigung führen zu einem Umkehrschluss, meint Pfaller und zitiert den griechischen Philosophen Epikur, wenn er zu bedenken gibt, dass „maßlose Mäßigung nichts anderes als Maßlosigkeit ist“.

Der spannenden Diskussion im Anschluss folgten u.a. Karl Amon (ORF), Sylvia Eisenburger-Kunz (Gesellschaft der Freunde der bildenden Künste), Jutta Kaufmann-Kerschbaum (Brauereiverband), Bernhard Wiesinger (ÖAMTC), Herbert Paierl (Paierl Consulting) und Markus Reiter (neunerHaus).

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