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So kommunizieren Aufsichtsräte 2017

5. Januar 2017

Ein Interview mit Dr. Brigitta Schwarzer und Dr. Regina Jankowitsch

Aufsichtsräte stehen zunehmend im Fokus der Öffentlichkeit – und wenn auch vieles für das neue Jahr ungewiss ist, so kommt die nächste Hauptversammlung doch bestimmt. Zum Jahresauftakt Grund genug für ein Gespräch mit den beiden Expertinnen Dr. Regina Jankowitsch, Coach und Medientrainerin, und Dr. Brigitta Schwarzer, Geschäftsführerin der unabhängigen Governance & Compliance-Wissensplattform INARA.

Aufsichtsräte vor 20 Jahren und heute. Wo liegt der Unterschied?
Aufsichtsratstätigkeit fand viele Jahre eher im Hintergrund statt und wurde mehr als Ehrenamt denn als Funktion mit echten Aufgaben und Verantwortung gesehen. Das „Abnicken“ von Beschlussanträgen war gang und gäbe. Bei der Bestellung wurde meist nach dem Grundsatz „more of the same“ vorgegangen, sodass Gremien mit älteren Herren die Aufsichtsratslandschaft prägten.
Das alles hat sich mittlerweile grundlegend geändert. So gibt es in den letzten Jahren einen Trend zu mehr Diversität – in Richtung fachlicher Background, Internationalität, Alter und der Vertretung von Frauen in Aufsichtsräten. Auch die Professionalität hat deutlich zugenommen. Aufsichtsräte sind fachlich sattelfester, gehen mehr mit der Zeit und sind sich ihrer Verantwortung und Haftung bewusster als das früher der Fall war.

Was müssen Aufsichtsräte daher heute leisten?
Tatsächlich wird ihnen zunehmend mehr abverlangt: Unabhängigkeit, fachliche Kompetenz, zeitliche Verfügbarkeit, Teamfähigkeit sowie die Fähigkeit zur konstruktiven Kritik. Jedes einzelne Mitglied ist einerseits ausschließlich dem Unternehmenswohl verpflichtet, hat aber andererseits seiner Rolle als Vertrauensorgan der Eigentümer gerecht zu werden – keine leichte Aufgabe. Die größte Herausforderung ist es aber, den „Spagat“ zwischen Überwachung und strategischer Begleitung des Vorstands zu schaffen, ohne selbst operativ tätig zu werden.

Wenn im Fußball die Mannschaft schlecht spielt, stellt sich bald die „Trainerfrage“ und alles schaut auf den Vereinspräsidenten. Auch Aufsichtsräte stehen medial verstärkt in der Auslage. Wie können sie mit der zunehmenden Öffentlichkeit gut umgehen?
Indem sie ein Medientraining absolvieren und sich – so wie es CEOs schon immer tun mussten – bewusst auf die Möglichkeit vorbereiten, öffentliche Statements abzugeben. Vor allem wenn das Unternehmen in die Krise gerät oder der CEO selbst unter Beschuss kommt, richten sich die Scheinwerferkegel auf den Aufsichtsrat und hier primär auf den AR-Vorsitzenden. Aufsichtsräte sind grundsätzlich gut beraten, ihren Außenauftritt gemeinsam festzulegen und untereinander abzustimmen.

Sie leiten hochkarätige Workshops für Aufsichtsratsvorsitzende in Vorbereitung auf deren Leitung von Hauptversammlungen. Vor welchen besonderen Herausforderungen stehen Aufsichtsräte in Hauptversammlungen?

  1. Institutionelle Investoren wie private Aktionäre sind heute viel aktiver und kritischer als früher – da sind besonderes Moderations-Know-how und Gelassenheit gefragt.
  2. Hauptversammlungen sind zu Events für Beziehungspflege geworden – der HV-Leiter kann hier inhaltlich wie atmosphärisch viel mehr steuern als vielfach angenommen.
  3. CEOs haben in den letzten Jahren durch die Bank ein recht hohes Niveau an Professionalität in ihrer Kommunikation auf der Bühne – HV-Leiter müssen also schauen, hier nicht zu sehr abzufallen.

Und über all dem gilt es, eine gute Balance zwischen den juristischen Vorgaben und guter Rhetorik bzw. leichter Verständlichkeit zu finden. In unserem Workshop diskutieren und trainieren wir das, und nicht zuletzt hilft den Teilnehmern der Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten, die oftmals neue Rolle als HV-Leiter zu präzisieren und zu stärken.

Apropos: Welche Rolle spielt eigentlich der HV-Leiter in der Aktionärsdebatte?
Der Versammlungsleiter ist Regisseur der Diskussion mit den Aktionären und für ein professionelles Fragen- und Antwortenmanagement wesentlich verantwortlich. Da geht es um die Reihung der Redner, die Zuteilung der Fragen an die einzelnen Vorstände bzw. an ihn selbst und darum, bei Eskalationen beruhigend einzuwirken.
Es liegt auch an ihm, dafür zu sorgen, dass keine Aktionärsfragen unter den Tisch fallen. Er hat weiters dann einzuschreiten, wenn Aktionäre in ihren Fragen zu ausschweifend werden oder beginnen, Co-Referate zu halten. Hier kann eine Redezeitbeschränkung hilfreich sein.

Klingt alles nach sehr viel Vorbereitung und Abstimmung …
Ja natürlich. Ganz wichtig ist die interne Koordination im Vorfeld, insbesondere auch zur Frage, wo die Grenzen der Fragenbeantwortung liegen. Letztlich liegt eine gelungene Hauptversammlung im gemeinsamen Interesse der Gesellschaft, des Vorstands und des Aufsichtsrats und damit profitieren alle – auch von einem professionellen Auftritt jener Person, die die HV leitet.

Zum Schluss: Pflicht und Kür in der HV-Kommunikation des Aufsichtsrats?
Pflicht: Direkt, präzise, knackig, leicht verständlich für alle, unaufgeregt, gut vorbereitet, fachlich wie persönlich kompetent, auf Augenhöhe mit Aktionären.
Kür: Empathie entwickeln, Atmosphäre prägen, Untertöne raushören, Körpersprache in den Gremiensitzungen richtig interpretieren, souverän bei Konflikten bleiben oder auch einen Beitrag dazu leisten, dass die geleitete HV in einem HV-Ranking auf den vorderen Plätzen landet.