Die größten Mythen der Krisen-PR
„Uns kann ja nichts passieren, wir sind gut auf Krisen vorbereitet.“ Manches Unternehmen
hat diesen Trugschluss teuer bezahlen müssen. Über Krisen-PR sind noch andere Irrtümer im Umlauf. Axel Zuschmann deckt die zehn gängigsten Mythen der Krisenkommunikation auf.
Mythos 1: Im Krisenfall muss absolute Transparenz und Offenheit herrschen.
Absolute Offenheit gibt es nicht – das wäre der wirtschaftliche Selbstmord für jedes Unternehmen. Was zählt: Man darf nicht lügen – aber man muss auch nicht alles sagen. Gegen eine proaktive, totale Transparenz sprechen viele gute Gründe: wirtschaftliche Überlegungen, kriminaltaktische Erwägungen (z.B. in strafrechtlich relevanten Fällen), Schutz von Mitarbeitern und vieles mehr. Das heißt: Aufklären, informieren, kommunizieren, um die Krise zu bewältigen – aber keine Fleißaufgaben.
Mythos 2: Kommunikation ist alles – und das möglichst schnell.
An vielen Beispielen zeigt sich: Wer in den ersten Stunden nicht agiert und kommuniziert, verliert die Themen- und Deutungshoheit. Er bleibt von Medien und anderen Stakeholdern getrieben und kommt nicht mehr aus der Defensive, er muss laufend reagieren statt zu agieren – und seine Entscheidungen unter wachsendem Druck der Öffentlichkeit fällen. Das beschädigt wiederum Image und Marke.
Recherche und Organisation, verbunden mit den entsprechenden Handlungen & Entscheidungen, sind allerdings ebenso wichtig – sie sind Voraussetzung für gesicherte Fakten, und nur diese sollten kommuniziert werden.
Mythos 3: Wir sind gut vorbereitet. Uns kann nichts passieren.
Passieren kann immer etwas – eine gute Vorbereitung mit regelmäßigen Updates & Trainings vermag jedoch das Risiko zu verringern.
Mythos 4: Soziale Medien sind nicht beherrschbar.
Beherrschbar sind Medien letztlich nie – aber wer ihre Gesetzmäßigkeiten und Bedürfnisse kennt und diese achtet, und wer entsprechende personelle und finanzielle Ressourcen in den Umgang mit Medien – gerade Social Media – investiert, der kann gut mit ihnen arbeiten. Die direkte, persönliche und rasche Interaktion, das Stellung-beziehen in Debatten, das Liefern relevanter Information kann einen Shitstorm rasch wieder zum Erliegen bringen. Dazu gehört aber auch, sich nicht alles gefallen zu lassen – z.B. Trolle zu identifizieren und zu ächten – die Netzgemeinde respektiert das.
Mythos 5: Die Krisenpäpste lösen alles.
Niemand kann jedes Problem lösen, und die besten Berater und die beste Vorbereitung nutzen nichts, wenn sie das Unternehmen nicht glaubwürdig, professionell und mutig umsetzt. Nicht das Verhalten der Berater, sondern das Verhalten des Unternehmens und seiner Repräsentanten entscheidet über den Verlauf einer Krise – und ob ein Vorfall überhaupt zur Krise wird.
Wie Krisen entstehen können und worauf es bei der Kommunikation ankommt, können Sie in unserem Whitepaper „Von Stürmen und Lauffeuern“ im Detail nachlesen.
Mythos 6: Krisen kommen unerwartet.
Gewisse Ereignisse – z.B. Naturkatastrophen, Sabotage oder Entführungen – lassen sich nicht vorhersagen. Viele Unternehmenskrisen jedoch sind „schleichend“, d.h. sie zeichnen sich in Form von Unregelmäßigkeiten, kleineren Störfällen, laufenden Problemen bereits ab – bevor sie dann letztendlich in einer veritablen Krise münden, die die ganze Öffentlichkeit bewegt. Das hängt auch oft mit einer falschen Unternehmenskultur zusammen, die die offene Diskussion von Problemen nicht zulässt. Ein „Early Warning System“ bzw. ein „Vulnerability Mapping“ (Wo sind wir angreifbar? Wo könnten Probleme entstehen?), das in der Verantwortung von Vorstand bzw. Kommunikation regelmäßig upgedated wird, stellt ein gutes Mittel dar, Krisen erst gar nicht entstehen zu lassen.
Mythos 7: Nach der Krise ist alles wieder gut.
Krisen können Unternehmen stärken – aber auch vernichten. Die Öffentlichkeit erinnert sich oft besser an den Umgang mit der Krise als an dessen Auslöser. Das heißt: Ein professioneller Umgang kann dem Unternehmen nach der Krise sogar Zuwächse bringen, ein schlechtes Krisenmanagement vermag es langfristig zu ruinieren.
Mythos 8: Die ersten Stunden sind die schwersten.
Vielleicht nicht die schwersten, aber mit Sicherheit die intensivsten und aufwändigsten – es gilt, unter großem Zeitdruck eine Vielzahl von Entscheidungen zu treffen, die für den weiteren Verlauf des Geschehens wichtige Weichenstellungen bedeuten – und dazu die Kommunikation aktiv an sich zu nehmen und zu steuern.
Mythos 9: Die interne Kommunikation ist nicht so wichtig. Im Vordergrund steht die Kommunikation nach außen.
Die Mitarbeiter sind Herz und Hirn des Unternehmens, sie verkörpern quasi die Visitenkarte der Marke nach außen. Daher ist die interne Kommunikation von zentraler Bedeutung. Gut informierte und respektierte Mitarbeiter sind auch in schwierigen Zeiten loyal zu ihrem Unternehmen – Mitarbeiter, die im Ungewissen gehalten und ignoriert werden, sind verunsichert und damit anfällig für Spekulationen und Gerüchte, die wiederum dem Unternehmen schaden. Daher: Belegschaft zuallererst informieren – ansonsten ist ein Fehlstart garantiert.
Mythos 10: Der Unternehmenschef ist stets der beste Kommunikator.
Ein guter Techniker, ein guter Manager, ein guter Vorstand braucht zwar soziale Fertigkeiten – aber deswegen ist er (oder sie) nicht Chef geworden. Er/Sie muss also nicht zwingend der sein, der in der Krise nach außen zu den Medien kommuniziert. Das sollte die Person übernehmen, die dieses Geschäft beherrscht (auf Basis von Talent oder Erfahrung – oder beidem) und kraft ihrer Funktion für das Unternehmen sprechen kann (z.B. Kommunikationschef, Pressesprecher). Gerade in Zeiten erhöhter Aufmerksamkeit hilft ein sattelfester, souveräner Pressesprecher dem Unternehmen mehr als ein fachlich guter, aber kommunikativ überforderter Unternehmenschef, der sich in Phrasen oder Details verliert. Ausnahme: In Fällen, wo es z.B. um Menschenleben oder die Existenz des Unternehmens geht, wo also eine große Tragweite der Ereignisse vorliegt, muss der Chef an die Öffentlichkeit.
Für die interne Kommunikation braucht es ohnedies generell den Chef – das erwarten sich die Mitarbeiter, verzeihen aber auch, wenn dieser keinen rhetorisch und dramaturgisch brillanten Auftritt hinlegt. Hier zählen Wille und Verantwortung fürs Werk.
Weitere Informationen zum Thema Krisenkommunikation finden Sie hier.