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Europa zu Gast in Österreich

28. Juni 2018

Österreich übernimmt EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli

Nach 1998 und 2006 übernimmt Österreich ab dem 1. Juli 2018 erneut die EU Ratspräsidentschaft und begeht damit den Abschluss des aktuellen Trimesters der Ratspräsidentschaften Estlands, Bulgariens und Österreichs. Unter dem Motto „Ein Europa, das schützt“, gilt es neben Zukunftsfragen wie Migration, Digitalisierung und Jobsicherheit vor allem die Gegensätze innerhalb der EU – etwa beim mehrjährigen Finanzrahmen nach 2020, der Verfassung des BREXIT-Austrittsvertrags oder zu ungelösten Fragen zur Währungsunion – zu überwinden. Als Land im Zentrum Europas möchte die österreichische Regierung dabei den selbstgestellten Anspruch als Brückenbauer erfüllen. Doch vor welchen Herausforderungen steht sie?

Ein Europa, das schützt

Im Fokus der österreichischen Ratspräsidentschaft stehen die Themen Sicherheit und Migration, der Erhalt von Wettbewerbsfähigkeit durch Digitalisierung sowie die Förderung von Stabilität in der EU-Nachbarschaft, allen voran durch EU-Beitrittsperspektiven für die Westbalkanstaaten. Dabei setzt die österreichische Ratspräsidentschaft verstärkt auf das Prinzip der Subsidiarität, eines der Grundprinzipien der Europäischen Union. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz forderte wiederholt eine Europäische Union, die „sich stärker fokussiert auf die großen Fragen und sich gleichzeitig in den kleineren Fragen zurücknimmt“.
Wichtige Ziele zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit sind etwa die Vollendung des digitalen Binnenmarktes sowie die gemeinsame Besteuerung internationaler Digitalanbieter. Ziel dabei sei, so Kurz, dort zu besteuern „wo die Gewinne anfallen“.

Brexit und mehrjähriger Finanzrahmen 

Als weitere große Herausforderungen stehen der für 29. März 2019 geplante Brexit und die damit einhergehenden Veränderungen im EU-Budget nach 2020 auf der österreichischen EU-Agenda. In der Budgetfrage möchte Nettozahler Österreich einen effizienteren und sparsameren Umgang mit Steuergeldern erreichen und somit eine Erhöhung der Beiträge auf 1% des jeweiligen BIP beschränken. Die Europäische Kommission schlägt hingegen eine Erhöhung auf 1,11% vor. Insbesondere die neue Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) ab 2020 stellt vor dem Hintergrund der hohen Subventionszahlungen ein schwieriges Thema dar und es gilt, wie so oft in der Geschichte der Europäischen Union, einen gemeinsamen Nenner und Ausgleich der Interessen zu finden.

Europa ist Chefsache

Die politische Verantwortung sämtlicher Europaagenden trägt neben Bundeskanzler Sebastian Kurz vor allem der Minister für EU, Kunst, Kultur und Medien im Bundeskanzleramt, Gernot Blümel (ÖVP). Außenministerin Karin Kneissl zeichnet für Beziehungen außerhalb der Europäischen Union verantwortlich – diese Aufteilung der Agenden stellt durchaus ein Unikum in der Europäischen Union dar. Die Durchführung der Ratspräsidentschaft und der damit verbundenen logistischen und administrativen Herausforderung obliegt somit dem ÖVP-geführten Bundeskanzleramt. Zur Umsetzung wurde etwa eine eigene Taskforce mit entsprechenden personellen Ressourcen eingerichtet. 

Spannende Richtungsfragen

Wahlerfolge populistischer, oft auch EU-kritischer Parteien, verändern die politische europäische Landkarte.  Noch immer ungelöste Fragen der Währungsunion, aktuell deutlich sichtbar im Zuge der Regierungsbildung in Italien, und weitere Richtungsfragen, etwa zu Migration und EU-Außengrenzschutz stellen große Herausforderungen für die österreichische EU-Ratspräsidentschaft dar. Gerade in der Migrationsfrage ist eine Spaltung Europas sichtbar. In der österreichischen Annäherung an die Gruppe der Visegrád-Staaten liegt jedoch auch die Chance, gewachsene Distanzen zu überbrücken. Der Fokus auf Subsidiarität könnte in dieser Hinsicht einen vermittelnden Kompromiss zwischen den verschiedenen Strömungen innerhalb der EU fördern. Gelingt es der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft vorhandene Differenzen abzubauen? Eine Prognose wäre zum jetzigen Zeitpunkt reine Spekulation.

EU-Skepsis in Österreich

Auch innenpolitisch wird der Ratspräsidentschaft auf Grund der Regierungsbeteiligung der traditionell EU-kritischen FPÖ erhöhte Aufmerksamkeit zuteil. Während sie sich als Teil der Regierung offiziell zur EU und einem proeuropäischen Kurs, bekennt, stehen einzelne Aussagen von Vertretern der Partei dem entgegen. Auf Grund der föderalen Struktur Österreichs wird der innenpolitische Diskurs jedoch nicht allein von der Bundespolitik, sondern auch von der Landes-, Stadt- und Gemeindepolitik geprägt. Gerade für die FPÖ und Parteiobmann und Vizekanzler Heinz-Christian Strache stellt die EU-Ratspräsidentschaft eine Bewährungsprobe hinsichtlich der Geschlossenheit der Partei dar. So konnte sie in vergangenen Wahlen unter anderem von der generellen Europaskepsis der Österreichern profitieren – ein proeuropäischer Kurs steht diesem „verlässlichen Asset“ entgegen. Denn obwohl Österreich seit dem EU-Beitritt 1995 stark von der Mitgliedschaft profitierte, empfand zumeist nur ein kleiner Teil der Bevölkerung die EU-Mitgliedschaft als positiv. Laut aktuellster Eurobarometer-Umfrage ist die Zustimmung jedoch zuletzt stark gestiegen. Aktuell sehen 55% der befragten Österreicher die EU-Mitgliedschaft als positiv, 78% fühlen sich als Bürger der EU.

Über 300 Veranstaltung

Während der Ratspräsidentschaft werden etwa 48.000 Delegierte aus allen 28 Staaten der EU in Österreich erwartet. Zu diesem Zweck sind im Rahmen der Ratspräsidentschaft über 300 Veranstaltungen geplant. Für informelle Ratstreffen der Fachminister, Konferenzen und Events beträgt das veranschlagte Budget 43 Millionen Euro. Darüber hinaus möchte die Regierung Österreich mit entsprechendem Rahmenprogramm auch als Kulturnation präsentieren.
Weiterführende Links:
Website zur Ratspräsidentschaft
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