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Martin Kocher über Nudging und wie damit Entscheidungen beeinflusst werden

13. Juni 2019

Vom Zeitungsabo bis zum Lebenspartner. Täglich treffen wir über 20.000 Entscheidungen. Der Ökonom Prof. Martin Kocher gab im Rahmen eines unserer Business Breakfasts spannende Insights in die Verhaltensökonomie, die zeigen wie Entscheidungen angestoßen werden können. Darüber hinaus hat er auch auf unserem Sofa Platz genommen und erklärt, warum Nudging funktioniert.

Doch was ist Nudging überhaupt? Ein Nudge ist ein kleiner Stups, damit Menschen ihr Verhalten oder ihre Entscheidungen ändern. Dieser Anstoß kann sehr subtil durch Maßnahmen erfolgen, die nicht bewusst wahrgenommen werden. „Die Wissenschaft ist hierbei wertfrei. Wir wollen wissen, wie Menschen Entscheidungen treffen. Ob sie gut oder schlecht sind, bewerten wir nicht“, so Kocher.

Absolute statt relative Beträge

In zahlreichen Praxisbeispielen legte Kocher da, wie Handlungen in eine bestimmte Richtung geleitet werden können. Zum Beispiel, dass Menschen beim Preisvergleich eher mit relativen als mit absoluten Beträgen rechnen. Bei einem T-Shirt, das 50 Euro in einem Geschäft kostet, in einem anderen aber um zehn Euro günstiger ist, ist die Wahrscheinlichkeit deutlich höher das Geschäft zu wechseln, als bei einem 500 Euro Mountainbike, das in einem anderen Geschäft um zehn Euro günstiger ist.

Falsche Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten

Auch für die Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten hat Dr. Kocher ein Fallbeispiel: Eine Frau, die sich in ihrer Studienzeit mit den Themen Gleichberechtigung auseinandergesetzt hat ist A) eine Bankangestellte oder B) eine Bankangestellte und Feministin? Meistens entscheiden sich die Befragten für Antwort B, dabei ist die verbundene Wahrscheinlichkeit, dass die Frau Bankangestellte UND Feministin ist, schwerer zu erfüllen, als die einfache Wahrscheinlichkeit, dass sie „nur“ Bankangestellte ist. „Diese Art von Fehlentscheidungen werden häufig von Richtern und Ärzten getroffen – also denjenigen, die täglich mit wichtigen Entscheidungen konfrontiert werden“, erklärt der Verhaltensökonom.

Nudging in der Praxis

Gelenkt werden wir überall. Die Frage bleibt, ob das Ziel vertretbar ist. „Ob eine Entscheidung tatsächlich gut oder schlecht ist, kommt auf den Standpunkt an. Wenn ich Ihnen ein Versicherungsprodukt verkaufe, mit dem ich die höchste Provision erhalte, Sie aber höhere Kosten für geringe Leistungen erhalten, obwohl es ein besseres Produkt gäbe, ist es fraglich, ob das langfristig gesehen auch für mich die beste Entscheidung ist“, so Kocher.

Mittlerweile gibt es viele Organisationen im öffentlichen Bereich und in der Privatwirtschaft, die sich mit der Entscheidungsarchitektur beschäftigen und versuchen, diese im positiven Sinne zu beeinflussen. Dazu zählt auch ein amerikanisches Unternehmen, das etwa jene Mitarbeiter durch das Verlosen von Geld motiviert, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.

Um den Erfolg des Entscheidungsanstoßes zu messen, werden in der Praxis häufig A/B Testings angewandt. Das bedeutet, dass die originale Kommunikationsform gegen die Nudging-Maßnahme getestet wird. Google und Fluglinien sind hierbei besonders aktiv – ob dabei auch das Ziel der größtmögliche Nutzen ist, bleibt jedoch offen.

Prof. Martin Kocher ist wissenschaftlicher Direktor am IHS und Professor für „Verhaltensökonomik mit Anwendungen in der Wirtschaftspolitik Österreichs“ an der Universität Wien.

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